Es ist übrigens nicht so, dass ich sagen könnte, dass man nichts erlebt, wenn man im Krankenhaus nur im Bett liegt. 🙂

Ich musste für mich nur erkennen, dass ich auf die „kleineren“ Dinge achten muss. Zum Beispiel zu sehen, dass die Reinigungskraft mit einem Lappen einfach alles reinigt! Das führte zu verschiedensten Überlegungen meinerseits, warum das so gemacht wird? War es die fehlende oder unzureichende Ausbildung? Und wenn ja, liegt dies dann an der Tatsache, dass überall gespart werden muss?  Oder ist dieser Sparwahn vielleicht der Grund allen Übels und die Reinigungskraft hat nur einen Lappen gestellt bekommen? Ich kam bei meinen Gedankenspielen, wie man sehen kann vom „Hölzchen auf’s Stöckchen“ und konnte die Reinigungskraft nicht mal fragen, weil sie in einem wahnsinnigen Tempo wieder verschwunden ist. Vielleicht ist auch hierfür die Sparsamkeit der Hauptgrund. 
Mir ist ja klar, dass Krankenhäuser auch auf die Kosten schauen müssen. Es sind letztendlich auch „Unternehmen“, die nicht der Wohlfahrt angehören. Ich hatte neulich ein Gespräch in dem es darum ging, dass jetzt ja alles dem Kapital untergeordnet ist. Das war früher in der DDR besser. Nein, war es nicht, denn die DDR war sowas von Pleite, weil der Staat einfach alles bezahlt hat! Und das, obwohl er das Geld gar nicht hatte. Klar, heute ist die BRD auch hoch verschuldet, aber es wurde ja auch ein komplettes Land inklusive aller „Flüchtlinge“ aufgenommen, nachdem die Mauer erstmal weg war 😉

Aber ich schweife ab, ich wollte ja noch was von meinen Erlebnissen hier berichten. Das man hier lieber nicht „alt“ wird, versteht sich glaub ich von selbst. Ich dachte bisher in Altenpflegeheimen wäre für ältere Leute der größte Notstand. Aber hier im Krankenhaus, wird man behandelt wie ein kleines Kind. Von der Ansprache bis zum Umgang. Der nette Herr neben mir (hat übrigens wohl doch Demenz), wird extrem laut angesprochen, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass er nicht schwer hörig ist. Es ist nur so, dass er es nicht sofort mitbekommt, wenn er angesprochen wird. Das liegt aber nicht daran, dass er nicht aufmerksam ist oder nichts mitbekommt. Nein, die Schwestern und Pfleger kommen halt immer in ungünstigen Momenten herein (kann ich bestätigen, als ich vorhin zum Röntgen sollte, saß ich auch gerade auf der Toilette), wenn er zum Beispiel vor sich hindöst oder wirklich schläft. Und wer schon mal direkt nach dem Wecken etwas gefragt wurde, oder mit der eigentlichen Frage aus dem Schlaf gerissen wurde, der weiß, dass dann keine prompte Antwort möglich ist. 
Ich werfe das dem Pflegepersonal auch überhaupt nicht vor, denn die können ja nichts dafür. Chronisch unterbesetzt und unterbezahlt, sind sie doch mehr als bemüht. Was ich daran merke, dass sie sich auch, wenn es irgenwie möglich ist, die Zeit nehmen mit dem Herrn zu klönen. Er kommt bei seinen Erzählungen leider zu keinem Ende. Ich habe mir seine Stories neulich mal einen ganzen Tag angehört (ich bin ja gut erzogen und lasse Leute aussprechen). Das ist schon bitter, dass er dann immer bei denselben Geschichten „hängen“ bleibt. 

Und der Mann hatte wirklich ein bewegtes Leben! Die „Einleitung“ hatte ich ja schon mal aufgeschrieben. Es kam dann heraus, dass er mit seiner Frau 58 Jahre verheiratet war, und er sie dann 3 Monate lang pflegen und dann zu Grabe tragen musste. Er sagt, er vermisse sie schon sehr, was ich absolut nachvollziehen kann, denn 2 Jahre vor der Diamanten Hochzeit getrennt zu werden ist wirklich hart. 

Was ich wirklich interessant finde, ist die Art und Weise, welche „Trigger“ bei ihm die Erinnerungen auslösen. Da ist zum einen die Musik, die ihn zurück in die Nachkriegszeit versetzt. Dann die Pflege, die hier im Krankenhaus allgegenwärtig ist, lässt ihn dann bei den letzten Monaten mit seiner Frau „landen“. Das Thema „Kinder“ bringt ihn entweder zu seiner Urenkelin, auf die er mächtig stolz ist, weil sie wohl ein musikalisches Genie ist, was ihm als Musiker natürlich richtig gut gefällt. 
Als er meine Jungs gesehen hat, kam er auf seine 4 Söhne zu sprechen. Naja eigentlich nicht auf alle 4 sondern nur 2, die schon gestorben sind. Wirklich unfassbar, welche Schicksalsschläge man in 80 Jahren so erleiden kann. 
Der eine Sohn hat wohl eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann mit Auszeichnung gemacht. Nach dem Wehrdienst war er dann wie ausgewechselt. Er hat ihm dann noch eine Stelle bei Freunden organisiert, die der Sohn dann nach ein paar Wochen hingeworfen hatte. Er wollte lieber die Welt entdecken und ist zu Fuß (!) bis nach Sizilien runter. Von da aus wollte er nach Frankreich. Allerdings hat man ihn wohl tot aufgefunden an der spanisch-französischen Grenze. Wie die genauen Umstände waren, ist bis heute noch ungeklärt. Sie haben Ihren Sohn dann auch dort bestatten lassen, was ich auch ziemlich krass finde. Ich mein, der Sohn selbst hat ja im Prinzip nichts davon, dem ist es quasi egal, aber als Eltern wünscht man sich doch einen Ort an dem man sich an sein Kind erinnern kann (umgangssprachlich Friedhof genannt), oder nicht?

Der andere Sohn war wohl Kellner und hat dann bei der Bundeswehr im Offizierskasino gearbeitet. Irgendwann ist er in den Süden versetzt worden, an irgendeinen See. Dort hat er gearbeitet und hatte wohl einen Unfall (von irgendwas runtergefallen, wenn ich das richtig rekapituliere) und ist an inneren Blutungen gestorben. Was aber wirklich heftig an der Geschichte war, ist die Tatsache, dass der Bestatter im Süden ein Angebot gemacht hat, den Sohn einzuäschern und dann die Urne hier zurück ins Rheinland zu schicken. Zu der Zeit durften Urnen aber nur von Bestattern entgegen genommen werden, was unserem netten Herrn hier nicht bekannt war. So ist die Urne dann mehrfach zwischen Süddeutschland und dem Rheinland gependelt. Bis der Herr zu dem Bestatter hier vor Ort gegangen ist, den er schon seit Kindheitstagen kannte. Dem erklärte er dann die Lage und der Bestatter kümmerte sich darum. Innerhalb von zwei Tagen war die Urne mit seinem Sohn drin, hier und konnte im Familiengrab beigesetzt werden. Ich bin immer davon ausgegangen, dass die Geschichte mit der Urne am wenigsten Aufwand für die Hinterbliebenen ist, aber bei der Geschichte lief es mir doch wirklich eiskalt den Rücken runter.

So, jetzt habe ich doch glatt die 1000-Worte-Grenze überschritten. Wer bis hierher gelesen hat, hat sich mindestens ein Bild verdient. Ich denke ein „Nacktbild“ wäre angebracht. Und kann man sich nackiger machen als so: 

roentgen1

😉

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