Nein, der Titel ist vielleicht ein wenig irreführend, ich betrachte das Retten von Leben durch Stammzellenspende durchaus nicht als ein Abenteuer. Warum es für mich aber abenteuerlich wird, werde ich hier mal in ein paar Sätzen zusammen schreiben.
Ich habe mich vor ein paar Jahren mal während einer Typisierungsaktion registrieren lassen. So genau weiß ich das gar nicht mehr, ich weiß nur noch, dass ich irgendwie auf das Thema Knochenmarkspende aufmerksam geworden bin und mir dann vom NKR zwei Sets zuschicken lassen habe. Meine Frau und ich hielten das für eine gute Idee, vielleicht irgendwann helfen zu können. So konkret drüber nachgedacht, dass das vielleicht wirklich mal passieren könnte haben wir zu dem Zeitpunkt sicher nicht.
Naja, das Set mit unseren „DNA verseuchten“ Wattestäbchen haben wir dann zurückgeschickt und nichts mehr davon gehört. Was uns verwundert hat, aber irgendwie ist das Thema dann wieder aus dem Fokus geraten und der Alltag hat wieder Überhand gewonnen (ich denke jeder kennt das).
Dann war vor einem halben Jahr noch mal eine Typisierungsaktion von meinem Arbeitgeber aus, dort habe ich mich noch mal typisieren lassen, wobei ich gelernt habe, dass man das möglichst nur einmal machen soll, die Knochenmarkzentren sind wohl lokal verteilt und es gibt eine bundesweite anonyme Spenderkartei. So genau habe ich das System ehrlich gesagt noch nicht geblickt, aber fakt ist, dass es funktioniert.
Denn kurz vor Weihnachten bekam ich einen Anruf vom NKR aus Hannover, dass ich zu 80% als Spender in Frage kommen würde. Man fragte mich, ob ich denn noch bereit wäre als Spender aktiviert zu werden. Ohne Zögern sagte ich: „Ja, klar. Sonst hätte ich mich ja nicht typisieren lassen brauchen“. Ok, nach dem Auflegen wurde mir dann die wirkliche Tragweite dieser Aussage bewußt, aber meine Einstellung hat sie nicht geändert.
Für die endgültige Bestimmung mussten mir beim Hausarzt 5 Röhrchen Blut abgenommen werden. Die meisten von Euch werden sagen: „Na und? Ist doch nicht so wild!“. Ja klar, mittlerweile weiß ich das auch, aber seit meinem 11ten oder 12ten Lebensjahr habe ich damit zu kämpfen, dass ich bei Blut und Nadeln regelmäßig umkippe, wenn das eine meinen Körper verläßt bzw. das andere meinen Körper „betritt“ 😉
Zum Glück kann die Sprechstundenhilfe meines Hausarztes echt gut mit der Nadel umgehen, so dass ich die 5 Röhrchen sogar im Sitzen „gespendet“ habe 😉
Nun ja, dass war ja nur der Anfang. Ich habe mir natürlich direkt mal angeschaut, wie das von Statten geht, mit der Spende. Denn mir schwirrten noch so mittelalterliche Methoden mit Riesenspritzen in der Gegend der Wirbelsäule rum. Dies ist heutzutage zum Glück nicht mehr nötig. Es gibt insgesamt 2 Methoden um an die Stammzellen zu kommen:
1. Entnahme peripherer Stammzellen aus dem Blut
2. Entnahme aus dem Beckenknochen (unter Vollnarkose)
Die Details zum Ablauf kann man hier nachlesen: Möglichkeiten der Stammzellgewinnung
Ok, für diejenigen, die den Link nicht anschauen: die Entnahme aus dem Blut ist zwar ohne Vollnarkose, dauert aber ca. 4 Stunden und ist vom Ablauf ähnlich einer Dialyse. Was mich innerlich natürlich vor ein Problem gestellt hat: wie oben schon erwähnt, meine Nadel und Blutphobie und dann 4 Stunden mit jeweils 2 Nadeln im Arm, das Blut plätschern hören? Hmm, ich weiß nicht recht… Allerdings ist ’ne Vollnarkose vom Risiko wohl doch etwas schlimmer. Ich habe dann mal nachgefragt, welche Methode denn durchgeführt wird, und angemerkt, dass ich ein Problem mit Spritzen und Kanülen usw. habe. Wie sollte es auch anders sein, da ich für einen Erwachsenen spenden soll, kommt eigentlich die 1. Variante zum Einsatz. Die letztendliche Entscheidung würde aber bei mir liegen.
Da habe ich natürlich hin- und herüberlegt. Aber letztendlich doch auf die Vollnarkose verzichtet und es zu meinem persönlichen Ziel gemacht, mich der Herausforderung zu stellen. Man wächst ja schließlich mit seinen Aufgaben. 🙂
Außerdem habe ich schon Menschen an Krebs sterben sehen, ihren letzten Atemzug gehört. Auf der einen Seite war es schrecklich, andererseits bin ich heute immer noch dankbar für diese Erfahrung. Zu sehen, dass der Tod an sich wirklich eine Erlösung sein kann. Jemandem so nahe zu stehen, dass man die letzten Augenblicke in seinem Leben bei ihm ist, auch wenn derjenige durch den Morphiumnebel gar nichts mehr mitbekommt, ich glaube schon, dass man es trotzdem merkt, ob man diesen letzten Weg allein gehen muss, oder ob jemand bei einem ist. Wenn ich also mit 4 Stunden persönlichem Unwohlsein jemanden davor bewahren kann, diesen elenden Tod zu sterben, dann mache ich das. Vielleicht ist das eine Art von Therapie für mich, keine Ahnung, auf jeden Fall nehme ich das wirklich ernst, wenn nicht sogar persönlich.
Im nächsten Schritt, nachdem festgestellt wurde, dass ich zu 100% als Spender in Frage kommen würde, musste ich zum großen Check-Up nach Hannover ins MHH. Dort wurde mir wieder Blut abgenommen (wie sollte es auch anders sein), Röntgenbilder vom Brustkorb, Ultraschall vom Bauchraum und ein Lungenfunktionstest gemacht. Und an dieser Stelle, genaugenommen zwei Tage vor diesem Termin begann es „abenteuerlich“ zu werden. Ich lag nämlich mit einem Infekt, den ganzen Sonntag im Bett. Habe mich dann am Montag noch krankschreiben lassen, damit ich Dienstag zur Untersuchung kann. Der Zeitplan war ja mittlerweile aufgestellt und alles organisiert. Und falls es der ein oder andere Leser vergessen haben sollte, es geht hier wirklich um ein Menschenleben. Die Untersuchung habe ich aber geschafft, nur ein Blutwert war nicht in Ordnung, was aber auf den Infekt zurückgeführt wurde. Eine Woche später, also letzten Montag musste ich mir zur Kontrolle noch mal beim Hausarzt ein Differentialblutbild machen lassen. Der Wert hatte sich nur geringfügig geändert, war wohl aber auch nur knapp über eine Grenze für die Freigabe zur Spende. Ich wurde also freigegeben.
Am Donnerstag sollte ich dann die erste Spritze bekommen, um die Stammzellen ins Blut zu schwemmen. Am Mittwochabend bekam ich Halsschmerzen und in der Nacht Fieber. Unglaublich! Was für ein Reinfall. Da will man jemandem helfen, der ziemlich schlimm von seinem Körper im Stich gelassen wurde, und dann kann man sich nicht mal auf den eigenen Köper verlassen. Naja ich bin ohne zu zögern zum Arzt, der hat meine Vermutung bestätigt: „Angina“. Jetzt liege ich auf’m Sofa und haue mir Penicillin rein, damit ich schnellstmöglich wieder fit werde. Zum Glück schlägt das Medikament gut an und ich bin schon wieder 2 Tage ohne Fieber.
Was die Sache zu einem wirklichen Krimi macht, ist die Tatsache, dass der Patient schon „konditioniert“ wurde. Das heißt, so wie ich das Laienhaft verstanden habe, wird der Patient auf die Transplantation vorbereitet, dass kann nicht einfach so abgebrochen oder überhaupt rückgängig gemacht werden. Klingt gar nicht so wild, aber ich musste unterschreiben, dass mit bewußt ist, dass wenn ich innerhalb der letzten 10 Tage von der Spende zurücktrete, der Patient sterben wird. Ich glaube mehr brauche ich dazu nicht zu sagen, oder? Ich habe es also in der Hand und ich werde alles mir Mögliche tun, um diese Spende auch zu leisten.
Ok, ich glaube so langsam ist der Blogeintrag lang genug, ich glaube bis hier unten liest sowieso kaum jemand. Mir ist aber eines wirklich wichtig zu sagen: Ich will hier niemandem Angst machen, sondern im Gegenteil. Ich will zeigen, dass wenn es jemand wie ich, der absolut nichts übrig hat, für Krankenhäuser, Spritzen, Blutabnahmen oder anderen medizinischen Zeugs, es schaffen kann jemandem durch die Stammzellenspende das Leben zu retten, dann könnt Ihr das auch. Wenn Ihr Fragen zu dem ganzen Thema habt, dann stellt sie in den Kommentaren, oder schreibt mir eine Mail.
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